Mit „Mord an der Universität Wien, 1986“ präsentiert der renommierte Historiker Karl Vocelka seinen ersten Kriminalroman – und betritt damit Neuland: Es handelt sich um den ersten österreichischen Universitätskrimi überhaupt. Dass ein Wissenschaftler mit geschärftem historischem Blick das Genre betritt, merkt man diesem Roman von der ersten Seite an. Vocelka verwebt kriminalistische Spannung mit fundierter Zeitgeschichte und schafft dabei ein vielschichtiges Bild der 1980er-Jahre.

Ein Zeitsprung in die 80er – detailreich und atmosphärisch
Das Setting ist Wien im Jahr 1986 – ein Jahrzehnt der politischen Umbrüche und kulturellen Eigenheiten. Der Autor lässt seine Leser tief eintauchen in die Atmosphäre dieser Ära: Kurt Waldheim ist gerade Präsident geworden, die Katastrophe von Tschernobyl hängt wie ein Damoklesschwert über Europa, und modische Phänomene wie Schulterpolster und Dauerwellen prägen das Straßenbild. Auch musikalische und mediale Anspielungen lassen die Vergangenheit lebendig werden und verleihen der Geschichte Authentizität. Wer diese Zeit selbst erlebt hat, wird vieles wiedererkennen; wer sie nur aus Erzählungen kennt, bekommt hier ein plastisches Bild geboten.
Ein Mord in akademischen Kreisen – klug konstruiert
Der eigentliche Kriminalfall beginnt während eines öffentlichen Hearings zur Neubesetzung einer Professur an der Universität Wien. Einer der Bewerber bricht unvermittelt zusammen – scheinbar ein medizinischer Zwischenfall. Doch bald stellt sich die Frage: War es wirklich ein natürlicher Tod, oder wurde nachgeholfen? Chefinspektor Lietzmann übernimmt die Ermittlungen und stößt schnell auf Spannungen und Konflikte im universitären Betrieb. Besonders verdächtig erscheint ein Dozent, der mit seiner unangepassten Art und seiner 68er-Vergangenheit aus dem Rahmen fällt.
Ein unkonventioneller Ermittler wider Willen
Statt passiv auf die Ermittlungen zu warten, beginnt der verdächtigte Dozent selbst zu recherchieren – zunächst, um seine eigene Unschuld zu beweisen. Dabei fördert er Erstaunliches zutage: Intrigen, Machtspiele, verdeckte Affären und akademische Rivalitäten. Vocelka zeichnet hier ein durchaus kritisches Bild der Universität als Ort der Eitelkeiten, Abhängigkeiten und versteckten Feindschaften – eine Welt, in der nicht nur Wissen, sondern auch Karrieren und persönliche Beziehungen auf dem Spiel stehen.
Spannung trifft Gesellschaftsanalyse
Mord an der Universität Wien, 1986 ist weit mehr als ein einfacher Whodunit. Vocelka nutzt das Krimigenre, um einen intelligenten Blick hinter die Kulissen des akademischen Lebens zu werfen – und dabei auch eine Zeitdiagnose abzugeben. Der Roman ist ein Kaleidoskop aus politischem Zeitgeist, persönlichen Verwicklungen und institutionellen Machtstrukturen. Dabei gelingt es dem Autor, Spannung und gesellschaftliche Analyse geschickt miteinander zu verweben.
Ein gelungener Genremix und vielversprechender Auftakt
Mit seinem Krimidebüt beweist Karl Vocelka nicht nur ein sicheres Gespür für Spannung und Figurenentwicklung, sondern auch einen feinen Sinn für Ironie und gesellschaftliche Beobachtung. Der Roman ist ein Lesevergnügen für Krimifans ebenso wie für historisch Interessierte und Universitätsinsider. Bleibt zu hoffen, dass dies nicht der letzte Fall von Chefinspektor Lietzmann bleibt – und auch nicht der letzte Ausflug Vocelkas in die Welt der Fiktion.
Ueberreuter Verlag
Der Dozent und der Tod
Ein Universitätskrimi
192 Seiten
Preis: 16,00 €
ISBN: 978-3-8000-9011-2